Vor 25 Jahren erwarb der heutige Eigentümer das marode Gut Grambow im Mecklenburgischen. Er belebte den Betrieb neu und schuf einen besonderen Ort für Jäger und für solche, die es werden wollen. In diesem Jahr feiert die gleichnamige Jagdschule ihr 20-jähriges Bestehen.
J TEXT: DR. VOLKER PESCH J
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Gut Grambow liegt scheinbar mitten im Nichts. Ein paar Kilometer westlich von Schwerin, in einer Gegend, wo die Ortschaften Fräulein Steinforth oder Wüstenmark heißen und auch so aussehen . „Wir sind MV – das Land zum Leben. Unsere Weite kann Dir Nähe geben“, textet tapfer das Landesmarketing. Aber wer ortsunkundig von der Küstenautobahn kommend durch die Alleen fährt, dürfte vor allem darauf hoffen, dass die GPS-Satelliten des Navis diese Region nicht weiträumig umfliegen.
Die endlosen Ackerflächen zu beiden Seiten der Straße erinnern daran, dass dies einmal die Kornkammer Deutschlands war. Obwohl die lehmigen Sandböden keine idealen Bedingungen boten, waren hier wie überall in Mecklenburg-Vorpommern über die Jahrhunderte große Güter mit zugehörigen Gutsdörfern und Vorwerken entstanden. Die meisten Besitzerfamilien wurden nach 1945 enteignet, ihre Ländereien unter Neubauern aufgeteilt und später in LPGs überführt. Die huldigten dann ziemlich hemmungslos dem Fortschritt in Form russischer Großmaschinen und heimischer Ackerchemie.
Dem Niederwild ist das nicht gut bekommen. Dabei reiste, wer jagdlich etwas auf sich hielt, noch in den 3oer-Jahren zur Treibjagd nach Mecklenburg, und am Ende des Tages lagen eindrucksvolle Fasanenstrecken im gutshenlichen Fackelschein. Doch diese Zeiten sind lange vorbei. Aber die Idee, an diese Tradition wieder anzuknüpfen und Lebensräume für das Niederwild zu schaffen, war einer der Gründe für den neuen Eigentümer, das marode Gut Grambow mitsamt den land- und forstwirtschaftlichen Flächen von der Treuhand zu übernehmen.
EINFACH VERBLÜFFEND
Das Gutshaus sieht leider immer noch aus wie zum Ende der DDR. Oder noch schlimmer, denn die vernagelten Fenster im Erdgeschoss weisen es als unbewohnt aus. Später erfahre ich, dass das neohistoristische Gebäude erst 1906 erbaut wurde und beim besten Willen nicht wirtschaftlich zu sanieren sei. In einem gutshausreichen Land wie diesem wird der Verlust zu verkraften sein. Der weitläufige Park hingegen wirkt gepflegt.
Andere Gebäude sind aufwendig saniert: Das Forsthaus, die Wagememise und der Deputatstall zeugen wieder von der einstigen Größe und Bedeutung des Guts. Ich parke den Wagen und bemerke ein weiteres Gebäude, das offensichtlich nicht alt ist, sich aber dennoch harmonisch ins historische Ensemble einfügt. In einem Teil ist das moderne Schießzentrum untergebracht, im anderen der Jagdausrüster „Grambow Fieldsports“. Soweit hatte ich das bereits auf den Internetseiten erkundet.
Aber innen staune ich dann doch. Die Größe und das Sortiment des Ladens sind einfach verblüffend. Egal, ob Funktionskleidung oder British Style, ob Waffen, Optik oder Accessoires – hier gibt es alles, was das Jägerherz begehrt. Und selbst das Schnäppchenjägerherz darf freudig schlagen, denn neben reduzierter Markenware gibt es auch eher unbekannte Marken zu entdecken. Ich drücke mir an der Rigby-Vitrine ein wenig die Nase platt, streichle verstohlen den alten Land Rover, von dem ich seit der ersten Folge von „Daktari“ in den 7oer-Jahren träume, und nachdem ich ein Jackett aus Harris Tweed anprobiert habe, lasse ich mich in eine beigefarbene Sofalandschaft sinken, die nicht nur zufällig in einer afrikanischen Safari-Lodge stehen könnte.
Auf dem Tisch liegt die neueste Ausgabe des „Grambow fieldsports Magazin“. Neben den internen Seiten der Homepage und einer lebhaften Facebook-Gruppe ist auch die hauseigene Zeitschrift ein wichtiger Faden im ständig wachsenden Netzwerk der Alumni.
KEINE SCHNELLBESOHLUNG
„ Willkommen in der Fußgängerzone von Grambow!“, begrüßt mich Hans Martin Lösch. Er ist der Herr auf Gut Gram bow und Ideengeber aller Geschäftsbereiche. Wir sind heute verabredet, um über die Jagdschule zu sprechen, denn die feiert in diesem Jahr ihr 20-jähriges Bestehen und ist neben der Landwirtschaft das älteste und festeste Standbein des Unternehmens. Pro Jahr machen hier 400 bis 450 Männer, Frauen und Jugendliehe an zwölf Prüfungsterminen das grüne Abitur; mehr als 8 500 Alumni verzeichnet die Kartei. Der promovierte Wildbiologe Helmut Herbold hat die Schule mit aufgebaut und leitet die Ausbildung von Anfang an. Mittlerweile sind drei weitere Ausbilder fest angestellt. Dazu kommen in Stoßzeiten externe Mitarbeiter, um die Kursgrößen klein und individuell zu halten. Nicht ohne Stolz beziffert Lösch die Erfolgsquote der Schule bei Teilnehmern im ersten Anlauf mit 95 Prozent.
Etwas skeptisch frage ich nach dem didaktischen Konzept. Denn angesichts der geografischen Randlage ist ja klar, dass hier in erster Linie Kompakt- und Wochenendkurse angeboten werden können. Im Prospekt habe ich gelesen, dass es zwar verschiedene Kursvarianten und kombinierbare Module gibt, aber allen gemein ist eine intensive Form der Stoffvermittlung. Gegen solcherart Ausbildung wird ja oft argumentiert, daraus könnten nur Schießer hervorgehen, aber keine Waidmänner. Es fehlte einfach die Zeit, den theoretischen Lernstoff zu vertiefen und praktische Erfahrungen zu machen.
Aber das lässt Hans Martin Lösch nicht gelten. Gut Grambow, hält er dagegen, biete den Jagdschülern alles aus einer Hand: eine fundierte theoretische Ausbildung mit eigenen Schulungsmaterialien; die Ausbildung an Büchse, Flinte und Kurzwaffe im Schießzentrum; Einbindung in die jagdliche Praxis im 2000 Hektar großen Lehrrevier und in der Wildkammer; direkten Einblick in die eigene Land- und Forstwirtschaft; ruhige Gästezimmer und Rückzugsorte zum Lernen; eine gute Versorgung über das hauseigene Restaurant; nicht zuletzt die Prüfung im Haus, also in einem Umfeld, das den Prüflingen zu diesem Zeitpunkt schon gut vertraut ist. ,,Wir machen hier keine Schnellbesohlung“, betont Lösch, „sondern eine wirklich professionelle Ausbildung mit extrem hohem Praxisbezug.“ Das könnten viele andere Ausbildungsstätten nicht bieten.
ARTENVIELFALT TROTZ LANDWIRTSCHAFT
Jetzt dränge ich aber darauf, das Gut in Augenschein zu nehmen. Auf insgesamt 1400 Hektar werden Weizen, Raps und Körnermais angebaut, weitere 600 Hektar sind forstwirtschaftlich betrieben. Eine hofeigene Biogasanlage erzeugt die Wärme für das gesamte Gut, und zwar einschließlich Restaurant, Schießzentrum und Folientunnel einer auf dem Gelände angesiedelten Biogärtnerei. Der Betrieb selbst ist nicht „bio“, Gut Grambow wirtschaftet konventionell. ,,Aber wir erbringen den Nachweis, dass intensive Landwirtschaft und Biodiversität kein Widerspruch sein müssen“, sagt Lösch, während wir zügig über gediegenes Kopfsteinpfiaster auf zwei große Stallgebäude zugehen.
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Ein Fasanenhahn kreuzt unseren Weg und weicht erst in letzter Sekunde aus. Es werde nur so viel Dünge- und Pfianzenschutzmittel ausgebracht, wie wirklich nötig seien, und auch die mechanische Bodenbearbeitung sei auf ein Mindestmaß reduziert. Zum Wohle von Bodenbrütern und Insekten seien unterschiedliche Greening-Flächen angelegt sowie Hecken, Teiche und Wildäcker. Der Betrieb sei sogar eine freiwillige Selbstverpfiichtung zu Landschaftspfiege und aktivem Erhalt der Artenvielfalt eingegangen und dafür 2016 mit dem europäischen Wildlife Estates Label ausgezeichnet worden. Es klingt durchaus überzeugend, aber ich kann und will das ohne Weiteres nicht beurteilen. Schließlich lesen sich Pressemitteilungen des Bauernverbandes heute ähnlich. Ich nutze lieber den Blick in einen von zwei riesigen Ställen für einen Themenwechsel. Die haben zwar hübsche Fachwerkgiebel, stammen aber ganz offensichtlich aus der Nachwendezeit. Und abgesehen von Landmaschinen und ein wenig Gerümpel sind sie leer.
Grambow hatte ursprünglich eine große Milchwirtschaft, erklärt Lösch, und da die alten Ställe nicht mehr zu halten gewesen seien, habe er diese neuen gebaut. Aber weil das nicht sein Fachgebiet sei, habe er den gesamten Betriebszweig seinerzeit an einen Landwirt verpachtet, und der habe in der letzten Milchkrise aufgeben müssen. Seitdem harren die Hallen einer neuen Nutzung. Vielleicht werde er irgendwann das Schießzentrum erweitern, denkt er laut nach, aber im Moment sei da noch nichts spruchreif. Ich kenne den Mann erst seit einer knappen Stunde, aber ich bin mir schon sehr sicher, dass seine Planungen weiter fortgeschritten sind.
VON ZAHMEN UND WILDEN HÜHNERN
Wir gehen um die Ställe herum und stehen bald vor einer ganzen Reihe von Volieren. Die Rebhühner und Fasane darin sind nicht begeistert vom ungebetenen Besuch und flattern aufgeregt umher, bis wir den geordneten Rückzug antreten. Für die Niederwildhege auf Gut Grambow verantwortlich ist Wesley Henn, nicht nur für HALALI-Leser kein Unbekannter. Er kam vor drei Jahren, nachdem er an seiner vorherigen Wirkungsstätte im niederrheinischen Moyland unfreiwillige Bekanntschaft mit militanten Tierschützern und aufgescheuchten Lokalpolitikern hatte machen dürfen. Als einer von drei fest angestellten Berufsjägern auf Gut Grambow ist er zuständig für das rund 300 Hektar große Niederwild-Kerngebiet.
Lösch umreißt die Strategie: Raubwild wird scharf bejagt, und zwar mit Falle und Waffe, denn die pelzigen Eierfresser sind hier die größten Feinde der Bodenbrüter. Aus der Luft droht glücklicherweise noch relativ wenig Un_bill. Fasane werden vorrangig im Herbst und Frühjahr in verschiedenen Revierteilen ausgewildert Dabei wird penibel darauf geachtet, die in Mecklenburg-Vorpommern geforderten zwölf Monate zwischen Auswilderung und Bejagung zu gewährleisten. Die Grundidee bei den Rebhühnern ist, Hennen aufzuziehen und auszusetzen, auf dass sie sich mit wilden Hähnen zu überlebensfähigen Paaren verbinden. Und die geht auf, sogar das Regenjahr 2017 hat zählbare Bruterfolge gebracht.
Dabei spielt, denke ich mir, sicher eine Rolle, dass dieses Kerngebiet nicht nur von ausgeräumten Raps- oder MaisMonokulturen umgeben ist, sondern auch an das Naturschutzgebiet Grambower Moor grenzt. Das gehört zwar nicht zum Betrieb, sondern teilweise zur Landesforst, teilweise ist es im Besitz einer Stiftung mit verpachteter Jagd. Aber alle Seiten arbeiten hier eng zusammen. Außerdem kümmert sich ein Förderverein um die Geschicke des Grambower Moors, und es ist sicher kein Zufall, dass dessen Vorsitzender Hans Martin Lösch heißt. So erklärt sich auch das kleine, aber sehr informative Naturkundemuseum neben der Jagdschule.
WER SÄT, DER SOLL AUCH ERNTEN
Die Jagd auf Gut Gram bow verteilt sich heute auf drei Standorte: die beiden Eigenjagden im Feldrevier Grambow sowie im Forstrevier Goosfeld mit gutem Schalenwildbestand und die Pachtjagd im rund 1 ooo Hektar großen Hochwildrevier Redefin. Neben Wesley Henn betreuen zwei weitere Berufsjäger die Reviere und die Jagdschüler.
Gut Grambow lädt mittlerweile jedes Jahr zu zwei klassischen Niederwildjagden mit maximal zehn Flinten ein, und sehr zur Freude des Jagdherrn ist auch der gelegentliche Entenstrich längst wieder von Erfolg gekrönt. Im Forstrevier wird eine größere Drückjagd mit etwa 35 Schützen ausgerichtet. Ansonsten gilt die lntervalljagd als Bejagungsstrategie: Je Monat wird in den Revierteilen nur zwei Tage gejagt, um Wild für das Restaurant, den eigenen Wildhandel und die Jagdschule zu erbeuten. Denn Jagdpraxis, Versorgen des Wildes und Zerwirken sind Lehrstoff in jedem Kurs. Insgesamt kommen rund 200 Stück Schalenwild pro Jahr zur Strecke.
Absolute Jagdruhe hingegen gilt im sogenannten „Hofmoor“, einem naturbelassenen Bereich, der unmittelbar an die Hofanlage grenzt. Hier sei das Dam- und Rotwild tagaktiv und sichtbar, erzählt Lösch, nicht selten könne man vom Restaurant aus das Ansprechen üben. Das bleibt mir heute allerdings verwehrt: Die Hirsche wollen wohl gerade nicht aktiv sein, außerdem öffnet das schicke Restaurant „Schmiede 16“ erst am Abend.
MIT HIGHTECH ZUM HANDWERK
Ich werfe einen Blick auf die ausgehängte Speisekarte. Aber bevor mir der Gedanke an „Tatar vom Schwarzwild mit Wachtelei“ vollständig die Gedanken vernebeln kann, holt mich ein Blick auf die Uhr auf den kopfsteingepflasterten Boden zurück. Denn auf meinem Programm steht noch ein letzter Punkt: Ich will das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden und meinen Repetierer mit neuer Munition einschießen. Die lndoor-Schießanlage mit elektronischer Treffersitzanzeige ist dafür natürlich ideal.
Vorher lasse ich mir noch schnell das Schießkino zeigen. Es ist derzeit eines der modernsten in Deutschland. Der Zeitverzug wird per Computer passend zur jeweiligen Filmsequenz gesteuert, erklärt Lösch nicht ohne Stolz, mit einer sagen haften Deviation von nur zwei Zentimetern. Sämtliche Vorhaltemaße sind also durchaus praxisnah. Und mit Schussdistanzen zwischen drei und 50 Metern lassen sich alle jagdlichen Situationen realistisch üben. Und nicht nur jagdliche: Hier trainieren auch Behörden den Schusswaffengebrauch.
Hans Martin Lösch überlässt mich dem Büchsenmacher des Hauses, der zugesagt hatte, mir beim Einschießen über die Schulter zu schauen. Nach einigen Patronen treffen die Kupfergeschosse fast Loch in Loch. Bis hierher bin ich also hochzufrieden, alles Weitere wird die jagdliche Praxis zeigen. Als mein Wagen vom Hof rollt, bin ich ein ganz klein wenig traurig, dass ich das grüne Abitur bereits habe.[/su_column]
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