Grambow – Die Weidmänner im Land sehen sich derzeit harscher Kritik ausgesetzt. Auslöser sind tödliche Jagdunfälle und Schludrigkeiten im Umgang mit Waffen. SVZ sprach mit dem Chef der Jagdschule Grambow, Hans-Martin Lösch, und Dr. Helmut Herbold, dem Schulungsleiter. Frage: Warum häufen sich die Jagdunfälle im Sommer? Lösch: Weil wir es in dieser Jahreszeit mit der für mich unorganisiertesten Methode zu tun haben, der Feldjagd. Bei dieser gehen mehrere Jäger quasi den Mähdreschern voran und warten darauf, bis das Wild aus seiner kleiner werdenden Deckung kommt. Zudem herrscht durch den Erntebetrieb eine gewisse Unruhe, die sich leicht auf die Jäger überträgt. Und nicht zuletzt ist die Gefahr von Querschlägern groß, weil die Stängel von Raps und Mais sehr hart sind. Herbold: Deshalb raten wir unseren Jagdschülern, von der Feldjagd besser die Finger zu lassen. Das Gefahrenpotenzial ist einfach zu hoch. Und ethisch gesehen ist sie ein Grenzfall: Denn Hetzjagd ist in Deutschland verboten. Doch darunter fällt bisher nur das Jagen mit Autos oder vom Pferd aus. Frage: Gibt es überhaupt eine hundertprozentige Sicherheit? Lösch: Nein, denn bei der Jagd sind scharfe Waffen im Spiel und der Faktor Mensch. Aber es gibt beispielsweise für die Gesellschaftsjagd, also wenn mehr als fünf Weidmänner teilnehmen, klare Sicherheitsvorschriften, die das Risiko minimieren. Frage: Welche sind das konkret? Lösch: Jeder Weidmann bekommt einen festen Standplatz und damit einen Schusssektor zugewiesen. Er hat sich mit seinen Nachbarn zu verständigen, und alle müssen orange Warnwesten oder Signalbänder am Hut tragen. Frage: Leser unserer Zeitung kritisierten in Briefen, die Jägerausbildung sei zu kurz und auf Sicherheitsfragen würde zu wenig Wert gelegt. Was entgegnen Sie? Herbold: Vermeidbare Unfälle – wie wohl der bei Marnitz – haben das öffentliche Bewusstsein geschärft. Fakt ist jedoch: meist sind nicht Anfänger, sondern erfahrene Jäger betroffen, bei denen sich leider eine gefährliche Routine eingeschlichen hat. Zweitens sind bis zur Jägerprüfung, die übrigens eine unabhängige Kommission des Nordwestkreises abnimmt, 260 Lehrstunden zu absolvieren. Darunter sind allein 15 Stunden reine Schießausbildung. Die Frage der Sicherheit durchzieht wie ein roter Faden die Kurse. Lösch: Ohnehin bedeutet die Prüfung nicht automatisch die Ausgabe eines Jagd- oder Waffenscheins. Denn in der Regel folgt eine „Lehrzeit“ von drei Jahren, bevor der Jäger eine eigene Jagd bekommt. Frage: Dennoch, werden unter den Weidemännern die Unfälle kritisch ausgewertet? Lösch: Meines Erachtens wird darüber noch nicht genug geredet. Überhaupt sollten Fragen der Ethik und der Sicherheit mehr in den Vordergrund treten. Mit geht es auf der Pirsch jedenfalls nicht in erster Linie um den Abschuss eines Tieres. Herbold: Dem kann ich nur zustimmen. Jagd soll Freude machen. Gerade dies will ich unseren angehenden Weidmännern und -frauen nahe bringen. Interview: Christian Meyer Hintergrund Jährlich werden in Deutschland zirka 800 Jagdunfälle registriert. Allein in diesem Jahr kam es im Landkreis Parchim bisher zu drei schweren Vorkommnissen. Zum einem der Fall Klein Wagelin, bei dem im Juni ein Jäger erst seine Frau und danach sich erschoss. In der Vorwoche kam ein Weidmann bei Marnitz ums Leben, als er mit einem Schwarzkittel verwechselt wurde. Beim jüngsten Fall in Groß Godems wurde zum Glück niemand verletzt. Aber die Tatsache, in alkoholisiertem Zustand seine Jagdwaffen unbeaufsichtigt im Wald umherliegen zu lassen, ist unentschuldbar. Und erst Ende Juli erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen einen Mann aus dem Kreis Parchim. Ihm wird angelastet, im Vorjahr auf einer Feldjagd, einen anderen Weidmann getroffen zu haben. Der Mann starb wenige Tage später in der Klinik an seiner Schussverletzung.